Kevin macht Pause
Kevin
ist hässlich. Er ist zu dick, das Gesicht zu faltig, die Beine zu kurz.
Er sabbert, grunzt und röchelt, sein Atem ist tödlich. Kevin ist die
Fehlinterpretation einer Englischen Bulldogge. Als wir Kevin das erste
Mal begegneten, war es noch kühl, es muss im März gewesen sein. Er
schnaufte und prustete, seine Brust schwoll an und er wollte sich mit
all seinem Übergewicht auf Sparta stürzen. Er scheiterte. Es fehle ihm
bei der Umsetzung seines Vorhabens eindeutig an Ehrgeiz. Doch er hat es
versucht, et wollte meinen kleinen Kuschel-Bär attackieren, solche
Hunde merke ich mir.
Monate
vergingen, ohne dass wir Kevin wiedersahen. Bis gestern. Ein gutes
Stück vor uns erkannte ich eine Silhouette, die nur einem gehören
konnte. Sparta schnüffelte entspannt an einem Strauch. Ich hatte nicht
das Bedürfnis ihn zu hetzen. Es war warm und ich wollte der mollig
aggressiven Bulldogge ihren Vorsprung lassen, da ich keine Lust darauf
hatte, Sparta davon überzeugen zu müssen, dass Kevin ohnehin nicht
motiviert genug war, um ihm an den Kragen zu gehen. Es war allerdings
gar nicht so einfach, Kevin den nötigen Abstand zu gewähren. Er bewegte
sich unvorstellbar langsam. Ich entschied mich dazu, unseren Weg in
normalem Tempo fortzusetzen und bei drohender Gefahr einen Bogen um den
unmotiviert grimmigen Rüden zu machen.
Doch
es gab keine Gefahr. Kevin saß nach Luft ringend, keuchend und japsend
am Wegesrand. Sein Frauchen lächelte ihre Gassi Partnerin an und sagte:
„Ach guck mal, Kevin macht Pause.“ Er hatte seinen ganzen Schrecken
verloren. Mit seiner Statur könnte er für einen so kurz geratenenHund
wie Sparta durchaus eine Gefahr darstellen. Aber jetzt gerade und
wahrscheinlich auch die nächsten drei Monate mussten wir keine Angst vor
ihm haben. Seine Aggressionen waren dahin. Wir wussten jetzt - Sonne
ist Kevins Kryptonit.
Wir
hatten schon zu unserem Überholmanöver angesetzt, als Kevin mühsam
versuchte, die erste Pfote der Schwerkraft trotzen zu lassen. Sein Blick
war weder mürrisch noch böse. In den kleinen Augen, fast vollkommen
versteckt hinter Falten und Fett, erkannte ich Scham und Eifersucht.
Als
ich Kevin am Wegesrand sitzen sah und hörte, wie er krächzte, empfand
ich eine gewisse Abscheu gegen diesen fetten und übel gelaunten Hund.
Doch bei näherer Betrachtung muss ich sagen, meine ganze Abscheu sollte
viel mehr seinem Frauchen gelten. Für Menschen wie sie werden Hunde wie
Kevin überhaupt erst gezüchtet. Ich bin im Allgemeinen kein großer Fan
dessen, was in den letzten Jahren aus den Bulldoggen geworden ist, doch
es gibt andere. Ich kenne Bulldoggen, die mit Bällen spielen, toben und
buddeln. Kevin wird all das vielleicht nie erleben. Sein Frauchen findet
es lustig, wenn er bei den ersten Sonnenstrahlen kaum noch die Pfoten
vom Boden heben kann. Die Geräusche findet sie süß und die ständigen
Pausen, zeugen von Charakter.
Die
Statur der meisten Bulldogen heutzutage finde ich schrecklich, den
typischen Bulldoggen Charakter finde ich klasse. Ich verstehe die
Menschen, die sich für Bulldoggen entscheiden, es können großartige
Hunde sein. Doch in Kevins Fall spielt sein Charakter überhaupt keine
Rolle. Was auch immer er sein will, er kann es uns nicht zeigen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen