17.08.2015

Kevin macht Pause

Kevin macht Pause


Kevin ist hässlich. Er ist zu dick, das Gesicht zu faltig, die Beine zu kurz. Er sabbert, grunzt und röchelt, sein Atem ist tödlich. Kevin ist die Fehlinterpretation einer Englischen Bulldogge. Als wir Kevin das erste Mal begegneten, war es noch kühl, es muss im März gewesen sein. Er schnaufte und prustete, seine Brust schwoll an und er wollte sich mit all seinem Übergewicht auf Sparta stürzen. Er scheiterte. Es fehle ihm bei der Umsetzung seines Vorhabens eindeutig an Ehrgeiz. Doch er hat es versucht, et wollte meinen kleinen Kuschel-Bär attackieren, solche Hunde merke ich mir.

Monate vergingen, ohne dass wir Kevin wiedersahen. Bis gestern. Ein gutes Stück vor uns erkannte ich eine Silhouette, die nur einem gehören konnte. Sparta schnüffelte entspannt an einem Strauch. Ich hatte nicht das Bedürfnis ihn zu hetzen. Es war warm und ich wollte der mollig aggressiven Bulldogge ihren Vorsprung lassen, da ich keine Lust darauf hatte, Sparta davon überzeugen zu müssen, dass Kevin ohnehin nicht motiviert genug war, um ihm an den Kragen zu gehen. Es war allerdings gar nicht so einfach, Kevin den nötigen Abstand zu gewähren. Er bewegte sich unvorstellbar langsam. Ich entschied mich dazu, unseren Weg in normalem Tempo fortzusetzen und bei drohender Gefahr einen Bogen um den unmotiviert grimmigen Rüden zu machen.
Doch es gab keine Gefahr. Kevin saß nach Luft ringend, keuchend und japsend am Wegesrand. Sein Frauchen lächelte ihre Gassi Partnerin an und sagte: „Ach guck mal, Kevin macht Pause.“ Er hatte seinen ganzen Schrecken verloren. Mit seiner Statur könnte er für einen so kurz geratenenHund wie Sparta durchaus eine Gefahr darstellen. Aber jetzt gerade und wahrscheinlich auch die nächsten drei Monate mussten wir keine Angst vor ihm haben. Seine    Aggressionen waren dahin. Wir wussten jetzt - Sonne ist Kevins Kryptonit.
Wir hatten schon zu unserem Überholmanöver angesetzt, als Kevin mühsam versuchte, die erste Pfote der Schwerkraft trotzen zu lassen. Sein Blick war weder mürrisch noch böse. In den kleinen Augen, fast vollkommen versteckt hinter Falten und Fett, erkannte ich Scham und Eifersucht.
Als ich Kevin am Wegesrand sitzen sah und hörte, wie er krächzte, empfand ich eine gewisse Abscheu gegen diesen fetten und übel gelaunten Hund. Doch bei näherer Betrachtung muss ich sagen, meine ganze Abscheu sollte viel mehr seinem Frauchen gelten. Für Menschen wie sie werden Hunde wie Kevin überhaupt erst gezüchtet. Ich bin im Allgemeinen kein großer Fan dessen, was in den letzten Jahren aus den Bulldoggen geworden ist, doch es gibt andere. Ich kenne Bulldoggen, die mit Bällen spielen, toben und buddeln. Kevin wird all das vielleicht nie erleben. Sein Frauchen findet es lustig, wenn er bei den ersten Sonnenstrahlen kaum noch die Pfoten vom Boden heben kann. Die Geräusche findet sie süß und die ständigen Pausen, zeugen von Charakter.
Die Statur der meisten Bulldogen heutzutage finde ich schrecklich, den typischen Bulldoggen Charakter finde ich klasse. Ich verstehe die Menschen, die sich für Bulldoggen entscheiden, es können großartige Hunde sein. Doch in Kevins Fall spielt sein Charakter überhaupt keine Rolle. Was auch immer er sein will, er kann es uns nicht zeigen.

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