16.08.2015

Loriot lebt

Loriot lebt


Der Tag ist perfekt, soweit. Ich stehe mitten auf der Hundewiese, die Sonne scheint, Emily wälzt sich glücklich im Gras, während Sparte verträumt einem Schmetterling hinterher schau. Mein Blick schweift über den Zaun hinaus, andere Hundebesitzer nähren sich.

Früher hatte ich Katzen. So oft durfte ich mir klischeehafte Bemerkungen darüber anhören, dass Katzenmenschen Einzelgänger wären, sie irgendwie eigen sind und einige von ihnen irgendwann alleine in einem Haus, voller Katzenklos und Spielzeugmäusen enden. Über Hundemenschen hört man nicht viel Schlechtes. Sie sind sozial, aktiv, offen, freundlich und immer glücklich. Von wegen! So ein Aufenthalt auf der Hundewiese kann aber ganz schnell apokalyptische Ausmaße annehmen. Da begegnen einem jeden Tag Menschen, die man so nur bei Loriot erwarten würde.

Die Diskussion 
Wenn wieder ein Mal tiefgreifende Diskussionen darüber entfacht werden, wie viele Bälle auf der begrenzten Grünfläche noch eine gute Idee sind, und ob man jedem Hund einen Keks geben sollte, oder man einfach eine Hand voll auf dem Rasen verstreut, als wollte man Enten füttern, möchte ich ganz oft nur noch schreien: „Die Ente bleibt draußen!“ 
Bis jetzt habe ich es immer recht gut geschafft mich zu beherrschen. Doch mein Geduldsfaden ist porös und ich habe das Gefühl eine Maus nagt an ihm.
 Ich genieße die letzten herbstlich ruhigen Sekunden mit meinen Hunden, bevor sich eine Traube aus Besserwissern und Plätzchenwerfern neben mir bildet.
Es geht los: „Der Hund von der Kerstin, der hört aber schlecht. Ich finde das ja ganz schlimm. Wirklich, da muss man sich doch mal interessanter für den Hund machen. Soll die doch mal den Arsch hochbekommen, und nicht immer über die ganze Wiese schreien. Meine Sissi hört da aber viel besser. Nicht wahr Sissi? Sissi komm doch mal her. Sissi hier. Sissi!“
Nur ein paar Meter weiter: „Die zwei, ja die spielen immer schön. Jetzt lass sie doch mal. Ist doch so süß gerade.“ „Das ist nicht süß und die spielen auch nicht. Der Bobo dominiert den Sammi nur! Ich geh jetzt dazwischen.“  
Ich beobachte noch eine Weile das verwirrte Gesicht von Sammis Frauchen. Sie scheint wirklich zu glauben, Bobos ständiges Besteigen und das Ablegen seinerPfoten auf Sammis Rücken, seien ein Spiel.
  

Die Tüte

„Da hat einer gekackt!“ übertönt plötzlich alle anderen wichtigen Gespräche des kleinen Hundeuniversums. Ein Mann greift in seine Tasche, holt eine Tüte heraus, doch noch bevor er denn ersten Schritt machen kann ertönt erneut: „Hallo, da hat einer gekackt, da in der Ecke. Wessen Hund ist das denn? Der, der da in der Ecke gerade gekackt hat!“
Der Mann ignoriert das Gekeife und macht sich auf den Weg.
„Das kann doch nicht wahr sein! Seinen Hund hier einfach auf die Wiese kacken lassen und dann so tun, als hätte man nichts gesehen.“
Das Herrchen des dreist kackenden Hundes dreht dich verärgert zu der augenrollenden Frau: „Ich habe die Tüte doch schon in der Hand!“
„Jaja jetzt. Gut, dass ich was gesagt hab.“
Ich erkenne, dass der Mann genau so wenig Lust auf eine Diskussion hat wie ich sie in dieser Situation verspüren würde. Er macht den Haufen weg, nimmt seinen Hund an die Leine und geht. Ich verstehe ihn

 Die Bank

Mein Blick schweift an das andere Ende des eingezäunten Freilaufs.  Eine Frau stopf unentwegt Leckerlis in ihren Pudel, während sie versucht ihm zu erklären, dass er doch bitte bitte nicht springen soll, um eine Belohnung zu bekommen. Ich zweifle den Erfolg dieser Methode stark an.
Nur ein paar Meter weiter ist eine Frau damit beschäftigt, ihren zitternden Chihuahua unter der Bank hervor zu zerren. „Nun geh doch mal spielen. Hab dich doch nicht immer so.“ Die kleine Snowy vibriert förmlich. Mit hochgezogenen Lefzen und einer Zunge, die fast auf dem Boden schleift, versucht sie sich wieder unter die Bank zu retten. Sie scheint mit der Situation genau so überfordert zu sein, wie ihr Frauchen, die mit verdrehten Augen nach Snowys Geschirr greift und sie erneut auffordert, sich nicht so anzustellen um sie anschließend mit einem kleinen Schubs in die Mitte einer Gruppe aus drei Hunden zu befördert. Snowy ist alles andere als begeistert. Frauchen dreht sich grinsend ihrer Banknachbarin zu und beendet die Szene mit einem stolzen: „Na geht doch!“

Die Wurst 

Ich entscheide mich mir dieses Trauerspiel nicht weiter anzusehen und richte meinen Blick auf Sparta.
Er steht am Zaun und kaut genüsslich einen saftigen Grashalm. Eine Frau mit einem Jack Russel nährt sich der Wiese. Die weiß-braune Wurst hat definitiv die Kontrolle darüber, wo Frauchen sich hinzubewegen hat und wie schnell das geht. Ich bin mir relativ sicher, dass es sich bei dem Hund um einen Rüden handelt.Kaum hat er Sparta erblickt werden seine kurzen Schritte schneller, er legt seine Ohren an und ein leises Knurren ist aus seiner Richtung zu vernehmen. Frauchen lächelt. Die Wurst beginnt aufgebracht die Schnauze durch den Zaun zu stecken und zieht die Lefzen hoch.
Sparta konzentriert sich weiterhin völlig auf seinen schmackhaften Grashalm.
Frauchen murmelt irgendwas von, "mal sehen ob das gut geht", und "da bleibst du erstmal ander Leine", während ich mich Sparta nähre, um im Notfall einzugreifen, sollte sich überraschend herausstellen, dass der Jack Russel vielleicht ein kleines Problem mit anderen Rüden haben könnte.
Fritzi betritt nun also samt Frauchen und Leine den Auslauf. Schnurstracks stürmt er auf Sparta zu, bis er das Ende seiner vermeintlichen Freiheit erreicht. SeineFüße scharren, sein Knurren hat sich zu einem ausgewachsenen Kampfgegrummel weiterentwickelt. Frauchen lächelt noch immer.
„Mhhh,da hat er es heute wohl nicht so mit anderen Rüden.“
Ich sehe sie wortlos an und warte lediglich darauf, dass sie zu dem Endschluss kommt, die Wiese wieder zu verlassen. Heute, ja heute hat es Fritzi wohl nichtso mit anderen Rüden. Er hat sicher nur einen schlechten Tag. Wirklich überrascht ist Frauchen von Fritzis Auftritt allerdings nicht. 

Die Plätzchen

Mein Durchhaltevermögen scheint sich auszuzahlen. Die Wiese leert sich und ich freue mich, nicht mehr mit tiefsinnigen Weisheiten von selbst ernannten Hundespezialisten bombardiert zu werden.  
Doch ganz so friedlich soll der heutige Spaziergang wohl nicht zu Ende gehen. Eine Frau, die stets unglaublich stolz auf ihre selbst gebackenen Hundekekse ist, betritt den Freilauf.
Sie stellt sich zu Emily und Sparta und fragt lautstark, ob die kleinen feinen Hundis nicht ein paar Hundekekse möchten. Blitzschnell verschwindet ihre Hand in der Tasche und zaubert einige riesen Leckerlis herbei.
Ich weise sie freundlich doch auch ein wenig genervt darauf hin, dass meine Hunde von Fremden keine Leckerlis bekommen sollen, weil sie dann das Betteln anfangen. Dieses Gespräch führen wir heute nicht zum ersten Mal. Wie immer versichert sie mir, es würde sie nicht stören wenn meine Hunde bei ihr betteln.
In meinem Gedanken schreie ich: „Die Ende bleibt draußen!“.
Ich leine meine Hunde an und verlasse wortlos die Wiese. Mir folgt noch ein leisen:„Aber die sind doch selbst gebacken, und es stört mich auch nicht wenn sie springen.“

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