Loriot lebt
Der
Tag ist perfekt, soweit. Ich stehe mitten auf der Hundewiese, die Sonne
scheint, Emily wälzt sich glücklich im Gras, während Sparte verträumt
einem Schmetterling hinterher schau. Mein Blick schweift über den Zaun
hinaus, andere Hundebesitzer nähren sich.
Früher hatte ich Katzen. So oft durfte ich mir klischeehafte Bemerkungen darüber anhören, dass Katzenmenschen Einzelgänger wären, sie irgendwie eigen sind und einige von ihnen irgendwann alleine in einem Haus, voller Katzenklos und Spielzeugmäusen enden. Über Hundemenschen hört man nicht viel Schlechtes. Sie sind sozial, aktiv, offen, freundlich und immer glücklich. Von wegen! So ein Aufenthalt auf der Hundewiese kann aber ganz schnell apokalyptische Ausmaße annehmen. Da begegnen einem jeden Tag Menschen, die man so nur bei Loriot erwarten würde.
Wenn
wieder ein Mal tiefgreifende Diskussionen darüber entfacht werden, wie
viele Bälle auf der begrenzten Grünfläche noch eine gute Idee sind, und
ob man jedem Hund einen Keks geben sollte, oder man einfach eine Hand
voll auf dem Rasen verstreut, als wollte man Enten füttern, möchte ich
ganz oft nur noch schreien: „Die Ente bleibt draußen!“
Bis
jetzt habe ich es immer recht gut geschafft mich zu beherrschen. Doch
mein Geduldsfaden ist porös und ich habe das Gefühl eine Maus nagt an
ihm.
Ich
genieße die letzten herbstlich ruhigen Sekunden mit meinen Hunden,
bevor sich eine Traube aus Besserwissern und Plätzchenwerfern neben mir
bildet.
Es
geht los: „Der Hund von der Kerstin, der hört aber schlecht. Ich finde
das ja ganz schlimm. Wirklich, da muss man sich doch mal interessanter
für den Hund machen. Soll die doch mal den Arsch hochbekommen, und nicht
immer über die ganze Wiese schreien. Meine Sissi hört da aber viel
besser. Nicht wahr Sissi? Sissi komm doch mal her. Sissi hier. Sissi!“
Nur
ein paar Meter weiter: „Die zwei, ja die spielen immer schön. Jetzt
lass sie doch mal. Ist doch so süß gerade.“ „Das ist nicht süß und die
spielen auch nicht. Der Bobo dominiert den Sammi nur! Ich geh jetzt
dazwischen.“
Ich
beobachte noch eine Weile das verwirrte Gesicht von Sammis Frauchen.
Sie scheint wirklich zu glauben, Bobos ständiges Besteigen und das
Ablegen seinerPfoten auf Sammis Rücken, seien ein Spiel.
Die Tüte
„Da
hat einer gekackt!“ übertönt plötzlich alle anderen wichtigen Gespräche
des kleinen Hundeuniversums. Ein Mann greift in seine Tasche, holt eine
Tüte heraus, doch noch bevor er denn ersten Schritt machen kann ertönt
erneut: „Hallo, da hat einer gekackt, da in der Ecke. Wessen Hund ist
das denn? Der, der da in der Ecke gerade gekackt hat!“
Der Mann ignoriert das Gekeife und macht sich auf den Weg.
„Das
kann doch nicht wahr sein! Seinen Hund hier einfach auf die Wiese
kacken lassen und dann so tun, als hätte man nichts gesehen.“
Das
Herrchen des dreist kackenden Hundes dreht dich verärgert zu der
augenrollenden Frau: „Ich habe die Tüte doch schon in der Hand!“
„Jaja jetzt. Gut, dass ich was gesagt hab.“
Ich
erkenne, dass der Mann genau so wenig Lust auf eine Diskussion hat wie
ich sie in dieser Situation verspüren würde. Er macht den Haufen weg,
nimmt seinen Hund an die Leine und geht. Ich verstehe ihn
Die Bank
Mein
Blick schweift an das andere Ende des eingezäunten Freilaufs. Eine
Frau stopf unentwegt Leckerlis in ihren Pudel, während sie versucht ihm
zu erklären, dass er doch bitte bitte nicht springen soll, um eine
Belohnung zu bekommen. Ich zweifle den Erfolg dieser Methode stark an.
Nur ein paar Meter weiter ist eine Frau damit beschäftigt, ihren zitternden Chihuahua unter der Bank hervor zu zerren. „Nun
geh doch mal spielen. Hab dich doch nicht immer so.“ Die kleine Snowy
vibriert förmlich. Mit hochgezogenen Lefzen und einer Zunge, die fast
auf dem Boden schleift, versucht sie sich wieder unter die Bank zu
retten. Sie scheint mit der Situation genau so überfordert zu sein, wie
ihr Frauchen, die mit verdrehten Augen nach Snowys Geschirr greift und
sie erneut auffordert, sich nicht so anzustellen um sie anschließend mit
einem kleinen Schubs in die Mitte einer Gruppe aus drei Hunden zu
befördert. Snowy ist alles andere als begeistert. Frauchen dreht sich
grinsend ihrer Banknachbarin zu und beendet die Szene mit einem stolzen:
„Na geht doch!“
Die Wurst
Ich entscheide mich mir dieses Trauerspiel nicht weiter anzusehen und richte meinen Blick auf Sparta.
Er
steht am Zaun und kaut genüsslich einen saftigen Grashalm. Eine Frau
mit einem Jack Russel nährt sich der Wiese. Die weiß-braune Wurst hat
definitiv die Kontrolle darüber, wo Frauchen sich hinzubewegen hat und
wie schnell das geht. Ich bin mir relativ sicher, dass es sich bei dem
Hund um einen Rüden handelt.Kaum hat er Sparta erblickt werden seine
kurzen Schritte schneller, er legt seine Ohren an und ein leises Knurren
ist aus seiner Richtung zu vernehmen. Frauchen lächelt. Die Wurst
beginnt aufgebracht die Schnauze durch den Zaun zu stecken und zieht die
Lefzen hoch.
Sparta konzentriert sich weiterhin völlig auf seinen schmackhaften Grashalm.
Frauchen
murmelt irgendwas von, "mal sehen ob das gut geht", und "da bleibst du
erstmal ander Leine", während ich mich Sparta nähre, um im Notfall
einzugreifen, sollte sich überraschend herausstellen, dass der Jack
Russel vielleicht ein kleines Problem mit anderen Rüden haben könnte.
Fritzi
betritt nun also samt Frauchen und Leine den Auslauf. Schnurstracks
stürmt er auf Sparta zu, bis er das Ende seiner vermeintlichen Freiheit
erreicht. SeineFüße scharren, sein Knurren hat sich zu einem
ausgewachsenen Kampfgegrummel weiterentwickelt. Frauchen lächelt noch
immer.
„Mhhh,da hat er es heute wohl nicht so mit anderen Rüden.“
Ich
sehe sie wortlos an und warte lediglich darauf, dass sie zu dem
Endschluss kommt, die Wiese wieder zu verlassen. Heute, ja heute hat es
Fritzi wohl nichtso mit anderen Rüden. Er hat sicher nur einen
schlechten Tag. Wirklich überrascht ist Frauchen von Fritzis Auftritt
allerdings nicht.
Die Plätzchen
Mein
Durchhaltevermögen scheint sich auszuzahlen. Die Wiese leert sich und
ich freue mich, nicht mehr mit tiefsinnigen Weisheiten von selbst
ernannten Hundespezialisten bombardiert zu werden.
Doch
ganz so friedlich soll der heutige Spaziergang wohl nicht zu Ende
gehen. Eine Frau, die stets unglaublich stolz auf ihre selbst gebackenen
Hundekekse ist, betritt den Freilauf.
Sie
stellt sich zu Emily und Sparta und fragt lautstark, ob die kleinen
feinen Hundis nicht ein paar Hundekekse möchten. Blitzschnell
verschwindet ihre Hand in der Tasche und zaubert einige riesen Leckerlis
herbei.
Ich
weise sie freundlich doch auch ein wenig genervt darauf hin, dass meine
Hunde von Fremden keine Leckerlis bekommen sollen, weil sie dann das
Betteln anfangen. Dieses Gespräch führen wir heute nicht zum ersten Mal.
Wie immer versichert sie mir, es würde sie nicht stören wenn meine
Hunde bei ihr betteln.
In meinem Gedanken schreie ich: „Die Ende bleibt draußen!“.
Ich
leine meine Hunde an und verlasse wortlos die Wiese. Mir folgt noch ein
leisen:„Aber die sind doch selbst gebacken, und es stört mich auch
nicht wenn sie springen.“
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